Wie OnlyFans, Patreon und andere Plattformen für einen Paradigmenwechsel sorgen.

Wir sind alle am Arsch

Zumindest wenns nach Sibylle Bergs Kommentar im SPIEGEL geht. Klimakrise, die Rechten allerorts, ein verrückter Wahlkampf in den USA ... und als wäre das nicht alles schon genug, wird die Welt von einer Pandemie heimgesucht. Die zweite Welle beginnt gerade über uns hereinzubrechen und dämpft jegliche Hoffnungen, dass wir die größte Wirtschaftskrise seit dem Zweiten Weltkrieg schnell überstehen werden. Und von den psychischen Folgen ist da noch nicht einmal die Rede.

Dieses Bild vom April beschreibt die Entkoppelung von Aktienmarkt und Real-Wirtschaft perfekt und verstärkt den Eindruck, dass wir alle am Rande eines brodelnden Vulkans tanzen.

Also ja, abgesehen von den Börsen sind wir tatsächlich alle am Arsch. Und diese Tatsache unterstreicht die Schwere der Lage noch einmal. Eine Entwicklung, die sich auch in der Kaufkraft und den Ausgaben niederschlägt. Ein neues Auto? Aktuell besser nicht!

Make. It. Convenient.

Aber das liegt nicht nur an Corona, sondern ist die Fortsetzung einer Entwicklung, die der Automobilindustrie schon seit ein paar Jahren Sorgen macht. Hauptsächlich, weil sie den Trend genauso wie Elektromobilität viel zu lange ignoriert hat.

Services wie Netflix und Spotify haben für ein Umdenken in der Gesellschaft gesorgt. Und sie sind erst der Anfang: genauso wie sich heute niemand mehr Alben oder einzelne Filme kauft, wird der Trend bald auch ganz andere Branchen erobern.

Auch Apple – normalerweise selbst Innovator – setzt seit ein paar Jahren voll darauf: Music, TV+, News, Arcade, iCloud … wenn die iPhone Verkäufe irgendwann ein Plateau erreicht haben, soll es trotzdem eine Möglichkeit geben, Geld mit den vielen Kund*innen zu verdienen.

Genau dasselbe gilt für den ehemaligen Konkurrenten Nr. 1 und seiner neuen Xbox One. Mit dem All Access Bundle kauft man nicht mehr die Konsole, sondern ein Service, das für 24$ neben vielen Games eben auch das tatsächliche Ding beinhaltet.

Gratis is over!

Mittlerweile dringt die Bezahlkultur aber auch in Bereiche des Internets vor, wo eine Paywall lange Zeit ausgeschlossen war. Nachdem zuerst Medien erkannt haben, dass Facebook und Google kaum einen Dollar Ad-Revenue überlassen, ziehen in den letzten Jahren auch semiprofessionelle Content-Produzent*innen nach.

Nachdem Bret Easton Ellis jahrelang einen gratis Podcast mit Werbung finanziert hat, ist er auf Patreon umgestiegen. Seither bezahlt man für bissige und teilweise absurde Kommentare zu Kino, Serien und Popculture im Allgemeinen.

Vorreiter ist hier Patreon. Die Plattform finanziert nicht nur Alt-Right Idolen den Lebensunterhalt, sondern auch Bret Easton Ellis hat auf ein Paid Podcast Modell umgestellt. Das funktioniert so gut, dass Patreon mittlerweile mit über einer Milliarde bewertet ist. 

Und selbst die Porno-Industrie hat endlich eine Alternative zu YouPorn gefunden — und damit für sie hoffentlich einen Ausweg aus der Gratis-Mentalität. Die Plattform heißt OnlyFans und das Zauberwort: Exklusivität. 

Einer breiteren Öffentlichkeit wurde OnlyFans durch den Savage Remix mit Beyonce und einen Shout Out bekannt:
Hips tick-tock when I dance (Dance)
On that Demon Time, she might start an OnlyFans (OnlyFans)

Es geht nicht nur um Inhalte, die für Instagram zu anrüchig wären, sondern um Verknappung in Kombination mit dem Social Media Effekt. Dieses Nacktbild, so denken viele User*innen, bekomme nur ich. Und teilweise stimmt das sogar. So sorgt OnlyFans für einen Paradigmenwechsel.

"How OnlyFans Changed Sex Work Forever" in der New York Times.

OnlyFans ist auch die Antwort auf COVID-19 und massive finanzielle Einbußen von Sex-Workers auf der ganzen Welt. Während klassische Businesses in Windeseile einen Webshop aus dem Boden gestampft haben, war es für Prostituierte viel schwieriger online zu gehen. Zwar gab es schon immer die Cam-Möglichkeit, aber eine einfache Plattform-Lösung hat bis jetzt gefehlt.

Eine Herausforderung wird das vor allem für Social Media, wo gratis Content bisher gegen Reichweite getauscht wurde, der im Idealfall monetarisiert werden konnte. OnlyFans kürzt das radikal ab.

But what does this mean?


Mit diesem Wandel von Produkt hin zu Service und Content bricht auch ein neuer Kampf um die Profite aus. Am deutlichsten wurde er vor rund einem Monat am erbitterten Kampf von Apple und Google gegen Epic Games und seiner Coalition for App Fairness.

Epic Games referenziert auf einen legendären Apple Spot, nur ist in der 2020er Version Apple selbst die böse Macht. Elementen dieses Spots wurde auch in der Gerechtigkeit #fürimmer Kampagne der Arbeiterkammer Tribut gezollt.

In diesem Beef könnte Apple das erste Mal auf einen würdigen Herausforderer treffen, denn Epic hat eine riesige Community, die auch für den iPhone Konzern relevant ist. Und hier geht es um die Kernwerte von Apple: Coolness und Fairness.

Der Fortnite Entwickler Epic hat versucht die 30% Fee zu umgehen, die Apple bei In-Game Purchases kassiert und ist seitdem aus dem App-Store verbannt worden.
Ein Ort, wo OnlyFans aus genau dem Grund gar nicht erst einmal auftaucht.

No one knows what it means, but it's provocative.

Für die Kommunikation ist das in erster Linie eine gute Nachricht: Inhalte werden wieder etwas wert und die Konsument*innen sind bereit, dafür auch etwas zu bezahlen. Dieser Geisteswandel ist doppelt gut. Auf der einen Seite erlaubt er uns als papabogner alternative Business-Modelle anzudenken. Vielleicht gibts die Reading List dann nur mehr gegen eine Subscription Fee. Und wir bieten den Humans & Herbs Podcast auf Patreon an. Oder gleich unsere Strategie-Präsentationen? 

Auf der anderen Seite geht damit hoffentlich ein generelles Umdenken in der Agentur-Kund*innen Welt einher. 

Bis dahin: David auf OnlyFans.